Rohstoff – Geschichte

23. Mai 2014 Wünschelruten Posted In: Allgemein

Rutengänger

Friedrich Musil mit Wünschelrute. Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte. Sammlung Dieter Sommer.

Friedrich Musil mit Wünschelrute.
Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte. Sammlung Dieter Sommer.

Bis in die Gegenwart werden Rutengänger bei der Geologischen Bundesanstalt vorstellig, um ihre besonderen Fähigkeiten zum Auffinden von Kohlenwasserstoffen anzubieten – als Ergänzung oder gar als Konkurrenz zu den hochtechnisierten, geophysikalische Methoden bis hin zur 3-D-Seismik.

Das Rutengehen hat im Erdölwesen eine lange Tradition. Immer wieder steht die Wissenschaft der Geologie vor der Herausforderung, sich von dem Erahnen von Bodenschätzen abzugrenzen. Insbesondere aus den Jahren 1938-1945, als die Mitwirkung der Bevölkerung beim Auffinden von Bodenschätzen politisch forciert wird, liegen viele Dokumente dazu vor.

Gerade in diesem Abgrenzungsprozess, aber auch in der erstaunlich weit gehenden Diskussion des Rutengehens wird dann die Wissenschaftlichkeit der institutionellen Geologie auf besondere Weise greifbar.

Friedrich Musil

Karte des Wünschelrutengängers Friedrich Musil aus den 1920er Jahren. Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

Karte aus den 1920er Jahren.
Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

Tatsächlich sind frühe Erfolge der Erdölsuche im Weinviertel in gewissem Sinn mit Rutengängern verknüpft. Einer der berühmtesten Rutengänger ist Friedrich Musil (1881-1954). 1916 hatte er das Rutengehen erlernt und im Ersten Weltkrieg in Russland zum Auffinden von Wasser erfolgreich praktiziert.

In den 1920er Jahren ist er dann im Auftrag des österreichischen Ackerbauministeriums im Wiener Becken aktiv, wieder mit der Wünschelrute. Er erwirbt Freischurfe, stößt 1929 mit der Bohrung ‚Stefanie 1’ tatsächlich auf Spuren von Öl und gründet die „Musil & Co Steinberg Rohöl-Gesellschaft“.

Militärgeologie

Einer der Stars der Wünschelrutenszene des Ersten Weltkriegs: Major Otto Edler von Graeve, hier in türkischen Diensten. Aus der Zeitschrift: Der Krieg 1914/1918 in Wort und Bild (1918), Heft 182.

Einer der Stars der Wünschelrutenszene des Ersten Weltkriegs: Major Otto Edler von Graeve, hier in türkischen Diensten.
Aus der Zeitschrift: Der Krieg 1914/1918 in Wort und Bild (1918), Heft 182.

Nicht selten sind es ehemalige Militärs und Offiziere des Ersten Weltkriegs wie Friedrich Musil, die ihre Dienste auch noch während des Zweiten Weltkriegs anbieten.

Meist ist die Enttäuschung über die Abweisung groß. Was von 1914 bis 1918 mit militärischer Autorität praktiziert wurde, gilt mehr und mehr als Störfaktor in den wissenschaftlichen, experimentell abgesicherten Institutionen des Rohstoffwesens.

Der Fall Falkinger

Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

Eine mit zahlreichen Dokumenten belegte Kontroverse spielt sich 1938 zwischen dem Rutengänger Hans Falkinger, dem „Reichsverband für das Wünschelrutenwesen: Forschungsausschuss“ und dem Institut für Erdölgeologie an der Geologischen Landesanstalt in Wien (heute GBA) ab.

Hans Falkinger ist einer von vielen Wünschelrutengängern, die nachträglich den Fund erfolgreicher Bohrpunkte im Raum Zistersdorf für sich reklamieren. Strittig ist dabei vor allem der exakte Zeitpunkt eines Besuchs Falkingers im Ölfeld, 1928 oder 1930.

Um den Erfolg der zweifelhaften Methode „Wünschelrute“ zu beweisen, kommt das scheinbar unbezweifelbare Evidenzmittel „Fotografie“ zum Einsatz: „Ein Bild zeigt ein Gebäude am Bahnhof, während in der Nähe des Bohrplatzes damals kein Haus lag. Das zweite Bild (mit Auto) zeigt im Hintergrunde Eisenbahn Waggons. Hiermit hoffe ich die Sache klargestellt zu haben.“

Karbon, Erdöl und römische Tempel

Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv

Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

Ob Wasser, Öl, Kohle oder Mineralien; Rutengänger stellen ihre Fähigkeiten in den Dienst ganz unterschiedlicher jeweils gefragter Bedürfnisse.

Eine besonders kuriose Eingabe stammt 1944 von einem gewissen Josef Schweitzer senior. In Thalheim bei Wels vermutet er nicht nur Erdöl-, Kohle- und Methanlagerstätten („von zirca einer Milliarde m³ Mächtigkeit & in den Zwischenräumen Gold, Silber, Zinn und Edelsteine“). Die Erdölquelle selbst liege in 50 Metern Tiefe in einer ehemaligen römischen Tempelanlage.

„Und ziehet der Pendel die Kreise…“

Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv

Quelle: Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

Selbst ein Lied über den Rutengänger auf seiner Suche nach Rohstoffen hat Josef Schweitzer senior verfasst und an die GBA geschickt – „Melodie: In einem kühlen Grunde“.

Am Schluss der eigentümlichen Verse macht er seinem Ärger in einem handschriftlichen Nachtrag Luft: „Glaube nicht, dass es nach der Meinung des Führers ist, jemanden der gerne mitarbeiten will & könnte, kaltzustellen“.

Dass sich derartige Dokumente noch heute in den Archiven der GBA befinden, zeugt aber nicht nur vom Eifer und dem Sendungsbewusstsein der Rutengänger. Unfreiwillig dokumentiert werden auch die chaotischen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Eingabe im Juli 1944.

Nicht zuletzt, weil das reguläre Ablagesystem der Behörde und der Berichtszusammenhang zu den übergeordneten Dienststellen in Berlin (Reichsamt für Bodenforschung) nur noch eingeschränkt funktioniert, sind derartige Kuriosa bis heute im Amtsarchiv der GBA erhalten.

Ein Faszinosum – bis heute

Quelle Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv

Quelle Archiv Rohstoff Geschichte, GBA-Archiv.

So exotisch derartige Eingaben wirken – geologische Institutionen und Kapazitäten bis hin zum legendären Geologen Karl Friedl (1898-1966) sehen sich am Beginn des 20. Jahrhunderts genötigt, zum Rutenwesen ernsthaft Stellung zu beziehen.

Im Herbst 1938 sind leitende Geologen des Wiener Erdölinstituts bei der Hauptversammlung des Reichsverbandes für das Wünschelrutenwesen in Krems zu Gast. Sichtlich erleichtert bemerken Rudolf Grill und Erwin Veit den gemäßigten Anspruch des Verbandes bei der Rohstoffsuche, und bringen damit indirekt und unfreiwillig auch eine gewisse Bedrohung des geologischen Selbstbilds durch das Rutenwesen zum Ausdruck.

Ein Faszinosum ist die Wünschelrute bis heute, unter Wissenschaftshistorikern, aber auch unter Geowissenschaftlern. Denn was ihr Ausschlag bedeutet, steht eben nie ganz fest, „bis der Bohrmeißel entschieden hat“ (Karl Friedl).

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